Schlagwort: Segen

Empfangen vs. geben und nehmen

„Tu so viel Gutes, wie du kannst, und mach so wenig Gerede wie möglich darüber“
Dieser Spruch stand einmal auf einem Sprüchekalender in meinem Wohnzimmer. Ich fand diese Aufforderung damals gut und immer wieder kommt sie mir in den Sinn.
Ich wollte nicht in die Gefahr kommen, mir selbst oder anderen beweisen zu wollen, was für ein guter Mensch ich bin. Wenn andere erzählen, wo sie jemandem eine Freude gemacht haben, wann sie jemanden zum Essen eingeladen haben oder was andere an ihnen schätzen – dann fühle ich mich innerlich dazu herausgefordert, mich zu vergleichen. Bin ich genug für andere da? Bin ich auch so großzügig? Ich bin dankbar, dass ich diesen Spruch damals in meinem Wohnzimmer hatte und dadurch immer wieder versuche, eben nicht zu vergleichen oder anderen zu erzählen, wem ich wann etwas Gutes getan habe – auch wenn es mir grundsätzlich zu wenig vorkommt.
Vor Kurzem hörte ich eine sehr inspirierende Predigt von Heidi Baker, in der sie davon berichtete, dass es eine Zeit gab, in der sie als Missionarin das Gefühl hatte, so viel wie möglich leiden zu müssen, um als „gute“ Missionarin zu gelten. Es war ein Vergleich in die andere Richtung: „Tut so viel Gutes wie du kannst und leide so viel wie möglich. Und dann erzähle es allen, damit sie sehen, was für ein guter und demütiger Christ du bist!“ Letztendlich geht es dabei immer um das Vergleichen.
Wie viel Gutes tun andere – wie viel tue ich? Wie oft treffen sie sich mit anderen Menschen – wie oft tue ich das? Wie viel Zeit investieren sie in Beziehungen und wie großzügig sind sie – wie sieht es bei mir aus? Wo kann ich mehr geben, mehr leisten, mehr…?
Ist es nicht interessant, wie wir Menschen immer wieder versuchen, unser (Da-) SEIN zu rechtfertigen und uns selbst zu beweihräuchern oder wichtig zu machen?

Wir haben gute Freunde, die genau das nicht tun. Sie tun uns immer wieder etwas Gutes. Sie laden uns ein oder beschenken uns, bitten uns aber, nicht darüber zu reden. Anderen nichts davon zu sagen. Das ist genau dieses Verhalten: Sie tun so viel Gutes wie möglich und möchten so wenig Gerede wie möglich darüber. Aber ein neues Learning ist für mich dadurch aufgeploppt. Ein neuer Spruch für einen Sprüchekalender: „Empfange so viel Gutes, wie du bekommst und mache dir so wenig Gedanken wie möglich darüber.“ Denn es ist wahrlich schwer zu empfangen, ohne etwas zurück geben zu wollen. Das beginnt schon bei der gängigen Geste, bei einer Einladung etwas mitzubringen: Wein oder Pralinen – irgendwas muss es doch sein. Schon im Kindergarten brachten die Freundinnen meiner Tochter immer eine Süßigkeit zum Teilen mit, wenn sie bei uns eingeladen waren. Es ist üblich und zieht sich so im Leben durch. Man bekommt und möchte sofort zurück geben. Eine Freundin kam letzte Woche spontan zu uns um unsere Tochter ins Bett zu bringen – mein Mann wollte mich schön zum Essen ausführen. Auf der Fahrt zum Restaurant fragte mein Mann mich: „Was könnten wir ihr als Dankeschön geben?“ – uns fiel nichts ein. Gar nichts. Wir waren ehrlich und sagten es ihr: „Wir wissen leider gar nicht, wie wir dir danken können. Womit können wir dir eine Freude machen?“ Sie schüttelt lachend den Kopf und sagt: „Ihr tut uns so viel so oft Gutes. Ich will überhaupt nichts. Ich hab das gerne gemacht.“ Und ich schäme mich. WIR tun ihnen was Gutes? Wann? Wie? Sie lächelt und sagt: „Du bist einfach da. Du betest für mich. Du hörst mir zu. Es ist so ein Segen euch als Freunde zu haben. Wirklich!“ Und ich schlucke und kann es nicht fassen.
Eine andere Freundin sagt mir immer wieder, dass es ihr so viel wert ist, dass ich ihr prophetische Eindrücke schicke, für sie bete, nachfrage oder unsere tiefen Gespräche, die leider viel zu selten stattfinden, ihr so viel geben. Das reicht also wirklich?!

Wann werden wir lernen, dass wir einfach SEIN dürfen und empfangen dürfen? Dass wir allein dadurch ein Segen sind und anderen eine Freude machen?
Tu so viel Gutes wie du kannst und mach so wenig Gerede wie möglich darüber!
Empfange so viel Gutes, was dir getan wird, und mache dir so wenig Gedanken wie möglich darüber!